«Blick in die Werkstatt #3»: Vertiefungsstudien Oberstadt

In der Rubrik «Blick in die Werkstatt» stellen wir Ihnen vorzu ausgesuchte Themen der Nutzungsplanungsrevision vor. Dazu gibt es in regelmässigen Abständen neue «Blicke in die Werkstatt». Dies ist der «Blick in die Werkstatt #3 – Vertiefungsstudien Oberstadt» vom September 2023.

Bitte beachten Sie: Die in den «Blick in die Werkstatt» erläuterten Regelungen zu den einzelnen Themen der Nutzungsplanungsrevision sind Zusammenfassungen, die die wichtigsten Überlegungen darstellen. Sie zeigen den Standpunkt des Planungsteams zum jeweiligen Zeitpunkt der Veröffentlichung. Die hier dargestellten Regelungen können von den definitiven Festlegungen in der revidierten Nutzungsplanung abweichen.

Die Planung für das Transformationsgebiet Oberstadt startete 2021 mit einem Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit der ETH. Für das resultierende langfristige Zielbild und die damit einhergehende hohe bauliche Dichte konnte in den verschiedenen Begleitgremien kein Konsens gefunden werden. Vermisst wurde ein ausgewogenes Verhältnis zwischen baulicher Dichte und Freiräumen. Das Pilotprojekt wurde in der Folge beendet und der Planungsprozess Oberstadt neu aufgegleist.

Zwei Planungsteams aus den Bereichen Architektur und Landschaftsarchitektur wurden mit der Planungsaufgabe beauftragt. Die Studie wurde im Rahmen von zwei Workshops durch den bestehenden Fachbeirat aus der Pilotphase sowie Vertreterinnen und Vertreter der Abteilungen Bau, Infrastruktur sowie Stadtentwicklung und Umwelt begleitet. Ergänzend wurden die eigens für das Projekt zusammengestellte politisch-fachliche Begleitkommission und das verwaltungsinterne Projektteam informativ mit einbezogen. Für Bevölkerung und Grundeigentümer sind im Rahmen des Gesamtprozesses Informations- und Partizipationsmöglichkeiten vorgesehen.

Der Planungsprozess Oberstadt steht im Zusammenhang mit der aktuellen Revision der Nutzungsplanung und erfolgt in zwei Phasen. In einem ersten Schritt wird eine städtebaulich-freiräumliche Gesamtsicht erarbeitet, die in einem zweiten Schritt in ein behördenverbindliches Instrument, den Masterplan übertragen wird. Damit wird die Grundlage für die anschliessende Umsetzung im Rahmen der Nutzungsplanungsrevision geschaffen.

Die Ergebnisse der beiden Vertiefungsstudien Städtebau / Freiraum liegen nun vor.

Die beiden Planungsteams hatten die Aufgabe, die Innenentwicklung der Oberstadt qualitativ und quantitativ aufzuzeigen. Dabei ging es um eine Auseinandersetzung mit der Frei- und Grünraumstruktur, der Bebauungsstruktur, dem Nutzungsmix, der Verortung der Nutzungen und der Erschliessung.

Die Planungsteams haben ausgehend von einer grundlegenden Analyse des Ortes unterschiedliche und eigenständige Konzepte zur Innenentwicklung der Oberstadt erarbeitet. Diese beiden unterschiedlichen Ansätze wurden vom Fachbeirat sehr begrüsst und entsprechend gewürdigt.

Beitrag S2L Landschaftsarchitekten und Loeliger Strub Architektur

Modell (Blick von der Bruggerstrasse her, vorne Schulhausplatz) und Situationsplan S2L Landschaftsarchitekten und Loeliger Strub Architektur

Der Vorschlag des Teams S2L Landschaftsarchitekten und Loeliger Strub Architektur orientiert sich an der Heterogenität und Kleinteiligkeit der Oberstadt und führt diese fort. Der Entwurf basiert auf fünf Leitideen:
  • Heterogenität und Kleinteiligkeit prägen den räumlichen Charakter
  • Starke Durchgrünung zur ökologischen Vernetzung und für ein gutes Stadtklima
  • Mellingerstrasse als belebte aktive Stadtachse mit Aufenthaltsbereichen
  • Neuenhoferstrasse als grüne Parkachse
  • Ein engmaschiges Fusswegnetz schafft walkability.

Der Entwurf sieht eine kleinteilige Bebauungsstruktur in einem engmaschigen Netz von begrünten Gassen und grünen Höfen mit informellem Charakter vor. Die kleinteilige Bebauungstypologie wird mit höheren Bauten am Kreisel Mellingerstrasse und beim Übergang in den Schulhausplatz ergänzt. Neben den Gebäuden, die als Identitätsobjekte ausgeschieden sind, werden zahlreiche Neubauten vorgeschlagen.

Es werden Aussagen für eine siedlungsorientierte Strassenraumgestaltung der beiden Verkehrsachsen gemacht: Die Mellingerstrasse wird als Verlängerung einer Stadtachse, welche von den Bädern her durch die Badstrasse und Altstadt verläuft, gelesen. Diese Achse erfährt bereits heute durch angegliederte Freiräume oder rückversetzte Bauten immer wieder Ausweitungen, welche für die Qualität des Stadtraumes genutzt werden sollen. Zusammen mit aktiven Erdgeschossen entstehen hier belebte Orte. Für die Neuenhoferstrasse wird das Bild einer begrünten Erschliessungsachse mit Querungsmöglichkeiten aufgezeigt (Parkstrasse). Dabei wird auf dem bestehenden Baumbestand aufgebaut.

Der Freiraum entlang des Bahngeleises soll soziale und ökologische Aufgaben übernehmen und der Quartierbevölkerung aneignungsoffen zur Verfügung stehen.

Das Team S2L Landschaftsarchitekten und Loeliger Strub Architektur entwickelt sein Konzept von den Rändern her, die durch die Infrastrukturen (Mellingerstrasse, Neuenhoferstrasse, Gleistrassee) die Oberstadt begrenzen. Zwischen diesen drei Achsen soll in der Oberstadt ein feingliedriges Netz aus Freiräumen (Wege und Quartierhöfe) entstehen, in das die Oberstadtstrasse und die Zürcherstrasse mit eingebunden werden.

Link zur Vertiefungsstudie auf der Website von S2L.

Beitrag Meier Leder Architekten, Uniola Landschaftsarchitekten, Mario Sandmeier, Raum fürs Leben

Das Team Meier Leder Architekten, Uniola Landschaftsarchitekten zusammen mit Mario Sandmeier, Raum fürs Leben baut seinen Entwurf auf sieben Leitsätzen auf:
  • Neues Wegnetz aktiviert charakterstarke Aussenräume und erschliesst das Umfeld
  • Differenzierte Freiraumtypologien schaffen vielfältige Aussenräume für Partizipation und Aneignung
  • Biodiverses Stadtklima unterstützt die Regeneration von Mensch und Umwelt
  • Umnutzen und Weiterbauen schont die Umwelt und bewahrt Identitäten
  • Soziale Diversität und Lokalität fördert Integration und Gemeinschaft
  • Alternatives Wohnungsangebot mit sozialer Dichte reduziert den persönlichen Fussabdruck
  • Die im Stadtgefüge verwurzelte Transformation schreibt die Geschichte des Ortes weiter.

Kern des Vorschlags ist die offene Mitte, welche sich aus der geschichtlichen Entwicklung der Oberstadt ableiten lässt. Dieser bereits teilweise bestehende Freiraum soll mit der Transformation des Gebiets erhalten bleiben und zur stadträumlichen und sozialen Mitte der Oberstadt aufgewertet werden. Die Idee, die beiden Hangseiten über die Mellingerstrasse hinweg über diesen Freiraum zu verbinden, ist ein interessanter Kontrapunkt zu den bestehenden trennenden Elementen, wie der Gleisraum und die Kantonsstrassen.

Die westlich und östlich an diese Mitte angrenzende Bereiche erfahren unterschiedliche Ansätze und werden entsprechend in unterschiedliche Teilgebiete zusammengefasst: Im Westen ist ein neues, dichtes Wohnquartier vorgesehen, im Osten ist eine Nachverdichtung des kleinteiligen Bestands beabsichtigt. Zwischen dem ehemaligen Bahnhofsgebäude und der Ferrohalle werden neue Wohnformen, vorab für eine junge Bewohnerschaft vorgeschlagen.

Der an den Gleisraum angrenzenden Freiraum soll den Quartierbewohnern zur Verfügung stehen und durch Eigeninitiative mitgestaltet werden können, zum Beispiel für Gartennutzungen. Ein grosses Anliegen des Teams ist das ressourcenschonende Weiterbauen am Bestand. Es wird aufgezeigt, welche Gebäude abgebrochen werden, welche als Zeitzeugen erhalten werden sollen, an welchen Gebäuden auf- oder angebaut werden soll und wo Ersatzneubauten entstehen können.

Der Entwurf des Teams Meier Leder Architekten, Uniola Landschaftsarchitekten und Mario Sandmeier, Raum fürs Leben entwickelt die Teilgebiete der Oberstadt differenziert weiter.

Modell (Blick von der Altstadt her, vorne Schulhausplatz) und Situationsplan Meier Leder Architekten, Uniola Landschaftsarchitekten, Mario Sandmeier, Raum fürs Leben

Fazit

Visualisierung Meier Leder Architekten, Uniola Landschaftsarchitekten, Mario Sandmeier, Raum fürs Leben

Visualisierung S2L Landschaftsarchitekten und Loeliger Strub Architekten

Auf den ersten Blick wirken die beiden Konzepte sehr unterschiedlich, näher betrachtet haben sie viele Gemeinsamkeiten. Aus den beiden Konzepten resultiert eine ähnliche bauliche Dichte. Auch schlagen beide Teams die Verschmälerung der überbreiten Oberstadtstrasse, eine autoarme Siedlungsentwicklung und eine starke Durchgrünung mit zusätzlichen Bäumen vor. Weiter kommen beide Teams zu ähnlichen Aussagen bezüglich der baulichen Identitätsobjekte.

Ein wesentlicher Unterschied der Konzepte liegt im Umgang mit dem übrigen bestehenden Baubestand. Während das Team Meier Leder das Weiterbauen am Bestand als wesentlicher Konzeptbestandteil postuliert, schlägt das Team S2L Baukörper vor, die je nach Situation sowohl aus dem Bestand entwickelt werden können oder Neubauten sind. Bezüglich der Freiräume steht der Vorschlag eines grosszügigen zentralen öffentlichen Freiraumes mit zentralen Fusswegachsen des Teams Meier Leder der Transformation der Strassenräume an den Rändern und dem kleinteiligen Netz von privaten, gemeinschaftlichen Höfen und öffentlichen Gassen des Teams S2L gegenüber.

Der Fachbeirat würdigte die fundierte und sorgfältige Arbeit, welche von beiden Teams geleistet wurde. Beide Beiträge orientieren sich stark am Bestand – sowohl am gebauten als auch am natur- und freiräumlichen. Gleichzeitig formulieren die Beiträge innovative und wichtige Impulse für die qualitative Transformation der Oberstadt zu einem verdichteten, belebten und attraktiven Stadtquartier. Der Fachbeirat lobt diese Wertschätzung des Bestands als zukunftsgerichtete Antwort auf die Herausforderungen der Stadtentwicklung im Kontext von Klimawandel, Energiewende und sozialräumlicher Herausforderungen. Beide Konzepte werden als sehr wertvoll erachtet und liefern gute Ansätze für die Oberstadt, die es in der nächsten Planungsphase weiterzuverfolgen gilt. Daher wurde auch kein Beitrag integral als Grundlage für den Masterplan empfohlen.